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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: 19 UF 93/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1361 Abs. 3 | |
BGB § 1579 Nr. 7 |
Kammergericht Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 19 UF 93/05
Verkündet am: 02.02.2006
In der Familiensache
hat der 19. Senat des Kammergerichts als Senat für Familiensachen auf die mündliche Verhandlung vom 02. Februar 2006 durch die die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder und die Richter am Kammergericht Feskorn und Hartung
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird auf die Berufung des Beklagten das am 07. Juli 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof/Kreuzberg - 141 F 990/05 abgeändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellung wird gemäß § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt aus § 1361 Abs. 1 BGB verwirkt. Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs folgt entgegen der Ansicht des Beklagten allerdings nicht daraus, dass sie ihm das Zusammenleben mit einem neuen Partner verschwiegen habe. Nach dem Vortrag des Beklagten hat die Klägerin ihm gegenüber im Mai 2004 ihren Ehebruch eingeräumt. Sie ist kurze Zeit später aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und ist nach Freiachdorf bei Montabaur verzogen. Angesichts dessen drängte sich schon ohne weiteres die Vermutung auf, dass die Klägerin mit ihrem neuen Partner auch zusammenwohnen würde.
Der Unterhaltsanspruch ist jedoch deswegen gemäß §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 6 BGB verwirkt, weil sich die Klägerin schon während bestehender Ehe einen neuen Partner in einer Weise zugewandt hat, die ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihr liegendes Fehlverhalten im Sinn des § 1579 Nr. 6 BGB begründet. Es ist unstreitig, dass die Klägerin bereits während des Zusammenlebens mit dem Beklagten ein "freundschaftliches Verhältnis" mit ihrem jetzigen Lebensgefährten hatte. Wie die Klägerin weiter selbst vorträgt, hat sie dann erkannt, dass sie mehr als bloße Sympathie für diesen empfand. Sie hat den Beklagten im Mai 2004 verlassen, ist aus der ehelichen Wohnung ausgezogen, im unmittelbaren Anschluss daran in die Wohnung ihres Freundes in Montabaur eingezogen und lebt seitdem mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen. Wendet sich ein Ehegatte in solcher Weise gegen den Willen seines Ehepartners einem anderen Partner zu, so kehrt er sich damit in einem Maße von seiner Ehe und dem Ehepartner ab, dass er, der sich von seinen eigenen ehelichen Bindungen distanziert und die dem anderen Ehegatten geschuldete Hilfe und Betreuung einem Dritten zuwendet, nicht seinerseits den Ehepartner aus dessen ehelicher Mitverantwortlichkeit für sein wirtschaftliches Auskommen in Anspruch nehmen kann. Eine solche Inanspruchnahme liefe dem Grundsatz der Gegenseitigkeit zuwider, der dem ehelichen Unterhaltsrecht zugrunde liegt. Deshalb schafft diese Abkehr des Ehegatten von der Ehe in aller Regel einen Verwirkungsgrund im Sinne des 1579 Nr. 6 BGB, der dazu führt, dass die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten, dem die Erfüllung eines derartigen Unterhaltsverlangens als (Mitfinanzierung) Finanzierung des Zusammenlebens seines Ehepartners mit dem Dritten erscheinen muss, grob unbillig wäre (BGB, NJW 1980, 1686, 1687; NJW 1982, 1216, 1217 f.; NJW 1984, 2358, 2359 f.).
Dass sie ihre Hinwendung zu einem neuen Partner sogleich dem Beklagten offenbart haben will, steht der Annahme eines einseitigen Ausbrechens aus der Ehe nicht entgegen. Der Verwirkungstatbestand wäre unter diesen Umständen nur dann nicht verwirklicht, wenn sich der Beklagte seinerseits von der Ehe mit der Klägerin bereits losgesagt hätte, weil es dann an der erforderlichen Einseitigkeit fehlen würde. Die Annahme eines einseitigen Ausbrechens aus der Ehe kann nicht durch den allgemein gehaltenen Vortrag ausgeschlossen werden, die Parteien hätten sich auseinandergelebt und es habe keine intakte eheliche Lebensgemeinschaft mehr bestanden (BGH, NJW 1981, 1214, 1215; OLG Hamm, OLGR 2001, 145). Allein der Umstand, dass sich der Beklagte nur noch für seinen Computer und das Internet interessiert haben will, wie die Klägerin behauptet, rechtfertigt nicht die Annahme, der Beklagte habe sich von der Ehe losgesagt. Nicht jedes (angebliche) Fehlverhalten des Verpflichteten kann dem Fehlverhalten des Berechtigten den Charakter der Einseitigkeit nehmen, sondern nur Verfehlungen von einigem Gewicht erlangen in diesem Zusammenhang Bedeutung, d. h. Verfehlungen, die dem Unterhalt begehrenden Ehegatten das Festhalten an der Ehe erheblich erschwert haben und sein eigenes Fehlverhalten in einem milderen Lichte erscheinen lassen (BGH, NJW 1983, 683, 684; Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 4 RdNr. 738). Auch die bloße Behauptung der Klägerin, eine "Sexualgemeinschaft" habe bereits seit geraumer Zeit nicht mehr bestanden, ist für sich allein nicht geeignet, den Vorwurf des einseitigen Fehlverhaltens zu entkräften. Der Beklagte hat zudem vorgetragen, die Parteien hätten noch einen Tag, bevor die Klägerin ihr intimes Verhältnis mit ihrem jetzigen Lebensgefährten mitgeteilt habe, geschlechtlich verkehrt. Diesen Vortrag hat die Klägerin in den nachfolgenden Schriftsätzen nicht bestritten und sich dazu auch in der mündlichen Verhandlung nicht näher eingelassen.
Da bei der nach § 1579 GBG vorzunehmenden Abwägung vorliegend Belange eines minderjährigen Kindes nicht zu berücksichtigten sind, erscheint die Inanspruchnahme des Beklagten als grob unbillig, so dass der Klägerin auch Unterhalt für die Vergangenheit zu versagen ist.
Darüber hinaus stünde der Klägerin ungeachtet der vorliegenden Voraussetzungen des § 1579 Nr. 6 BGB ein Unterhaltsanspruch für die Zeit ab Mai 2006 deshalb nicht mehr zu, weil ab diesem Zeitpunkt der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB erfüllt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Inanspruchnahme auf Trennungsunterhalt in entsprechender Anwendung des § 1579 Nr. 7 BGB unzumutbar sein, wenn der Unterhaltsberechtigte eine länger dauernde Beziehung zu einem anderen Partner eingegangen ist, die sich in einem solchen Maße verfestigt hat, dass sie als eheähnlich anzusehen ist (BGH, NJW 2002, 1947, 1950). Dies setzt voraus, dass sich die neue Lebensgemeinschaft bereits gefestigt hat. Die zeitliche Mindestgrenze liegt nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1989, 1083, 1086) regelmäßig nicht unter zwei Jahren. Da die Klägerin im Mai 2004 zu ihrem jetzigen Lebenspartner gezogen ist, läuft diese Frist im Mai 2006 ab, so dass künftig ein Trennungsunterhalt auch aus diesem Grund nicht geschuldet ist.
III. Die Berufung der Klägerin muss aus den vorstehenden Ausführungen ohne Erfolg bleiben, weil der Unterhaltsanspruch verwirkt ist.
IV. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO sowie aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht der Senat entgegen der Ansicht der Klägerin von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, was die Voraussetzungen für der Anwendbarkeit des § 1579 BGB betrifft. Die maßgebliches Rechtsfragen sind auf Grund der vorstehend zitierten Entscheidungen des BGH geklärt.
Ende der Entscheidung
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